Zeitschrift Flow - Was warten kann

25.1.2020 Samstagabend in Berlin

 

Quelle: Zeitschrift Flow 47-01-2020

Was warten kann - Editorial aus der neuen Flow

 

"Können wir uns noch einmal vertagen? Das frage ich häufig meine Freundinnen, meine Familie oder meine Kollegen. Ich plane und plane und dann wird doch die Zeit knapp und ich muss etwas aufschieben. Oft sind es Dinge, die nicht unbedingt nötig scgeinen: Der Kinoabend mit einer Freundin muss für die Steuererklärung warten, der Waldspaziergang mit der Familie wird fürs Kelleraufräumen geopfert und die Fahrt zu den Eltern wegen der Präsentation verschoben, die ich unter der Woche nicht geschafft habe. Es ist eine Mischung aus Pflichtgefühl und den unendlichen To-Do-Listen, die mir dazwischenkommen. Und machmal bin icheinfach zu erschöpft von all den To-Dos, kann mich nicht mehr vom Sofa aufraffen. Aber welchen Preis hat das?

 

In letzter Zeit muss ich sehr oft an einen Kollegen denken. Ich mochte ihn sehr, wir führten gern tiefe Gespräche - über den Job, das Leben und den Sinn des Ganzen. Er war kein enger Freund, aber ein wichtiger Mensch in meinem Leben. Wir mailten öfter, trafen uns auf Kaffes und eine Terminserie für Mittagessen. Dann bekam ich Kinder, er startete einen neuen Job, unsere Leben fraßen Zeit und wir verschoben unsere Treffen immer häufiger. Ich wusste, dass er schwer krank war. Aber da war so viel zu tun... Wir mailten noch vor den Ferien, das es zu knapp würde für ein Mittagessen. Und nach den Ferien dann stand die Traueranzeige im Intranet. Was hätte ich darum gegeben, unser letztes Treffen nicht angesagt zu haben. Zu spät.

 

Es ist schon ein Paar Jahre her, aber ich möchte das nie wieder erleben. Es ist eine Frage der Prioritäten. Ich nehme mir vor, das besser zu nachen dieses Jahr. Nein, das ist kein Vorsatz, das ist eine Entscheidung - die Steuer, der Keller, die Präsentation? Schiebe ich auf." 

 

Herzlich,

Sinja

 

 

Magazin: Die neue Flow ist da!